Bildung ist ein offener, lebenslanger und aktiv gestalteter Entwicklungsprozess des Menschen.

Bildung ermöglicht dem Einzelnen, seine Potenziale in geistiger, kultureller und lebenspraktischer Hinsicht zu erkunden, sie zu entfalten und über die Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt eine eigene Identität zu entwickeln.

Bildung befähigt zu einer eigenständigen und selbstverantwortlichen Lebens­führung, die zu verantwortungsbewusster und selbstständiger Teilhabe und Mitwirkung im gesellschaftlichen Leben in sozialer, kultureller, beruflicher und politischer Hinsicht führt.

Die schulische Grundbildung ist in der Bundesverfassung verankert. Artikel 62 beauftragt die Kantone, sowohl für einen Grundschulunterricht als auch für eine Sonderschulung zu sorgen, die allen Kindern offen steht. Er verpflichtet sie zur Harmonisierung der Dauer und Ziele der Bildungsstufen sowie zur Angleichung des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht.

Der Lehrplan Volksschule Thurgau orientiert sich am Gesetz über die Volksschule, in dem die Ziele der schulischen Grundbildung wie folgt festgelegt sind:

§ 2 Absatz 1, Ziele
«Die Volksschule fördert die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten der Kinder. In Ergänzung zum Erziehungsauftrag der Eltern erzieht sie die Kinder nach christlichen Grundsätzen und demokratischen Werten zu selbständigen, lebenstüchtigen Persönlichkeiten und zu Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt.»

Die Volksschule erfüllt ihren Bildungsauftrag in Zusammenarbeit mit den Eltern und Erziehungsberechtigten und unterstützt diese in ihrem Erziehungsauftrag. Ausgehend von den Grundrechten, wie sie in der Bundes- und Kantonsverfassung formuliert sind, orientiert sich die Schule an folgenden Werten:

  • Sie geht von christlichen, humanistischen und demokratischen Wertvorstellungen aus.
  • Sie ist in Bezug auf Politik, Religionen und Konfessionen neutral.
  • Sie fördert die Chancengleichheit.
  • Sie fördert die Gleichstellung der Geschlechter.
  • Sie wendet sich gegen alle Formen der Diskriminierung.
  • Sie weckt und fördert das Verständnis für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und die Erhaltung der natürlichen Umwelt.
  • Sie fördert den gegenseitigen Respekt im Zusammenleben mit anderen Menschen insbesondere bezüglich Kulturen, Religionen und Lebensformen.
  • Sie geht von unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen aus und geht konstruktiv mit Vielfalt um.
  • Sie trägt in einer pluralistischen Gesellschaft zum sozialen Zusammenhalt bei.

Für die Kinder und Jugendlichen stellt die Schule einen prägenden Teil ihres Alltages dar. Hier machen sie vielfältige Lern- und Lebenserfahrungen, die auf ausserschulisch erworbenen Erfahrungen aufbauen. Das soziale Zusammenleben, die Gemeinschaft und der Unterricht werden von allen Beteiligten mitgestaltet. Die Schülerinnen und Schüler lernen, sich in der Schule ihrem Alter entsprechend einzubringen und auf Klassen- und Schulebene mitzuwirken. Die Schule als Ort des sozialen, partizipativen Lernens fördert die Beziehungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und das Übernehmen von Verantwortung für die Gemeinschaft. Gegenseitige Wertschätzung, Lebensfreude und Musse stellen wichtige Werte dar.

Die zentrale Aufgabe der Schule besteht darin, den Schülerinnen und Schülern kultur- und gegenstandsbezogene Erfahrungen zu ermöglichen. Sie erwerben dabei grundlegende fachliche und überfachliche Kompetenzen. Der Lehrplan Volksschule Thurgau orientiert sich an kulturhistorischen Erfahrungen, an der Analyse der gesellschaftlichen Gegenwart und der zu erwartenden Anforderungen einer möglichen Zukunft. Kulturtechniken haben deshalb einen grossen Stellenwert, da sie grundlegende Fertigkeiten darstellen, die unabhängig von möglichen Zukunftsszenarien erlernt werden: Lesen, Schreiben, Sprechen, Fremdsprachen, Mathematik, naturwissenschaftliche Grundkenntnisse, handwerkliche Fähigkeiten, Bewegung und Sport, Musik und künstlerisches Gestalten. Die Schülerinnen und Schüler werden beim Aufbau von persönlichen Interessen, dem Vertiefen von individuellen Begabungen und in der Entwicklung ihrer individuellen Persönlichkeit ermutigt, begleitet und unterstützt. Der sozial unterstützte Erwerb von Kompetenzen knüpft am Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler an. Es werden Lerngelegenheiten angeboten, die dem unterschiedlichen Lern- und Leistungsstand und der Heterogenität Rechnung tragen. Bei alledem wird die Leistungsbereitschaft gefordert und gefördert.

Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sind die Schule und die Lehrpersonen auf die Unterstützung durch Eltern, Erziehungsberechtigte und Behörden angewiesen. Die Zusammenarbeit von Schule, Eltern und Erziehungsberechtigten ist gesetzlich verankert und ergibt sich aus der gemeinsamen Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen. Sie verlangt von beiden Seiten Gesprächs- und Informationsbereitschaft und gegenseitige Achtung.

Den grössten Anteil am vorschulischen Lernerfolg haben die Eltern und Erziehungsberechtigten sowie die weiteren nahen Bezugspersonen des Kindes. Die Förderung zwischen Geburt und Schuleintritt ist entscheidend. Es geht hier nicht um spezifische Förderprogramme, sondern um ein natürliches, kindgerechtes Aufwachsen. Dazu gehören, neben einer anregenden Spielumgebung, z.B. der regelmässige Kontakt zu gleichaltrigen Kindern, Spiel und Erlebnis im Freien, in der Natur, im Wald, auf dem Spielplatz, am und im Wasser. Ebenso wichtig ist der altersgerechte Umgang der Eltern und Erziehungsberechtigten mit ihren Kindern.

Für die Sprachentwicklung ist es zentral, dass die Eltern viel mit ihren Kindern sprechen. Dies geschieht in der Regel in ihrer Muttersprache, da sie diese am besten beherrschen. Sind Mutter- und Vatersprache unterschiedlich, kann ein Kind auch zweisprachig aufwachsen. Ist die Muttersprache nicht Deutsch, so nutzen die Eltern Gelegenheiten, um ihre Kinder Deutsch lernen zu lassen.

Hilfreich sind auch zahlreiche lokale Angebote in der Phase zwischen Geburt und Eintritt in den Kindergarten. Spielgruppen und Kindertagesstätten ermöglichen den Kontakt zu gleichaltrigen Kindern. Kinder lernen am meisten von- und miteinander.

Auch nach dem Schuleintritt haben die Eltern und Erziehungsberechtigten einen entscheidenden Einfluss auf Bildung und Lernerfolg. Sie bestimmen weitgehend das Freizeitprogramm ihrer Kinder. Es steht in der Regel ein breites Angebot zur Verfügung. Musikschulen, Sportvereine, Bibliotheken, Ludotheken usw. haben kindgerechte Angebote. Wichtig sind ein gesundes Mass an Aktivitäten und eine ausgewogenes Verhältnis von Schule und Freizeit.

Heute sind Mediennutzung und -produktion wesentliche Bestandteile der Freizeit der Kinder und Jugendlichen. In der Ausgestaltung dieses Freizeitangebots kommt den Eltern und Erziehungsberechtigten eine zentrale Rolle zu.

Der Lehrplan Volksschule Thurgau gliedert die schulische Grundbildung in sechs Fachbereiche. Diese sind gesellschaftlich bestimmt und orientieren sich an kulturellen und schulischen Traditionen und Normen. In den Fachbereichen ist festgelegt, welche fachspezifischen und überfachlichen Kompetenzen jede Schülerin, jeder Schüler im Laufe der Schullaufbahn erwirbt.

Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten umfassende mündliche und schriftliche Sprachkompetenzen. Sie werden befähigt, in unterschiedlichen Situationen angemessen und adressatengerecht zu kommunizieren. Sie setzen sich mit unterschiedlichen Sachtexten, literarischen Texten und vielfältigen Kulturerzeugnissen auseinander. Mit der Sprache erwerben die Schülerinnen und Schüler ein grundlegendes Instrument der Wissens- und Kulturaneignung, des Austauschs und der Reflexion in allen Fachbereichen.

Die Schülerinnen und Schüler erwerben folglich umfassende Kompetenzen in der Schulsprache und grundlegende Kompetenzen in einer zweiten Landessprache und in mindestens einer weiteren Fremdsprache.

Die Schülerinnen und Schüler lernen mathematische Problemstellungen zu bearbeiten und zu lösen. Dazu lernen sie Rechenverfahren und mathematische Konzepte kennen, verstehen und anwenden. Sie können gedanklich abstrahieren, Modelle bilden, Sachverhalte in Beziehung setzen. Auf diese Weise gewinnen sie Erkenntnisse und erwerben Werkzeuge, die sie zur Lösung von Aufgaben im Unterricht und im Alltag nutzen können.

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der Welt in ihren natürlichen, technischen, historischen, kulturellen, sozialen, ökonomischen, ethischen und religiösen Dimensionen mit ihren je eigenen Phänomenen und Prozessen auseinander. Sie erweitern ihre Kenntnisse und Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, sich in der Welt zu orientieren, diese immer besser zu verstehen, sie aktiv mitzugestalten und in ihr verantwortungsvoll zu handeln.

Die Schülerinnen und Schüler werden im Umgang mit vielfältigen Bildern und Produkten befähigt, die von Menschen ästhetisch und funktional gestaltete Umwelt wahrzunehmen und an ihr teil zu haben. Sie lernen, eigene Vorstellungen und Ideen gestaltend umzusetzen und gestalterische Vorhaben, Aufgaben und Prozesse zu realisieren. Sie erwerben ästhetische, bildnerische, gestalterische und technische Kompetenzen, die ihnen den Dialog und die persönliche Auseinandersetzung mit Kultur und Kunst ermöglichen.

Die Schülerinnen und Schüler werden befähigt, auf musikalischer Ebene an der kulturellen und künstlerischen Auseinandersetzung in der Gesellschaft teil zu haben. Sie erwerben musikalische Kompetenzen, treten auf diese Weise in Kommunikation mit anderen Menschen und erfahren über das Erleben von Musik und über eigenes musikalisches Handeln das Eingebundensein in die Gemeinschaft.

Die Schülerinnen und Schüler vertiefen über vielfältige Bewegungserfahrungen die Sensibilität für ihren Körper und lernen, ihn differenziert wahrzunehmen. Sie verfeinern ihre motorischen Fertigkeiten, entwickeln sportliche Fähigkeiten und bauen ihre körperliche Leistungsfähigkeit aus. Herausfordernde Bewegungs­aufgaben und Erfolgserlebnisse unterstützen und fördern die natürliche kindliche Bewegungslust und Spielfreude. Die Schülerinnen und Schüler erleben und erfahren die Bedeutung von Bewegung für Wohlbefinden und Gesundheit.

Die Schülerinnen und Schüler bauen grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten auf, die ihnen eine kompetente, sachgerechte Nutzung und den sozial verantwortlichen Umgang mit Medien und Informatik ermöglichen.

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit ihrer persönlichen und beruflichen Zukunft auseinander. Sie erarbeiten sich die Voraussetzungen für die Wahl und die Realisierung ihres Bildungs- und Berufszieles.

Der Erwerb der fachlichen Kompetenzen in den Fachbereichen und Modulen geht einher mit der Ausbildung überfachlicher Kompetenzen. Die Schülerinnen und Schüler erwerben in allen Fachbereichen und Modulen sowie über die ganze Schulzeit hinweg personale, soziale und methodische Fähigkeiten, die für eine erfolgreiche Bewältigung unterschiedlicher Aufgaben in verschiedenen Lebensbereichen zentral sind. Sie lernen, über sich selbst nachzudenken, den Schulalltag und ihr Lernen zunehmend selbstständig zu bewältigen, an der eigenen Lernfähigkeit zu arbeiten, vorgegebene und eigene Ziele und Werte zu verfolgen und zu reflektieren. Sie erwerben soziale und kommunikative Fähigkeiten und lernen, mit anderen Kindern zusammenzuarbeiten, Konflikte zu lösen und mit Vielfalt umzugehen. Sie erwerben umfassende sprachliche Kompetenzen, lernen mit Informationen sachgerecht umzugehen und entwickeln Problemlösefähigkeiten.

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der Komplexität der Welt und deren ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander. Sie erfassen und verstehen Vernetzungen und Zusammenhänge und werden befähigt, sich an der nachhaltigen Gestaltung der Zukunft zu beteiligen.